Band 10 der BRIGITTE Buch-Edition "Die Liebesromane": Laura Esquivel variiert in ihrem Roman "Bittersüße Schokolade" in leichtem Ton die Weisheit, dass Liebe durch den Magen geht - Band 10 der BRIGITTE Liebesromane.
Das Buch
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Mexiko, irgendwann im vorigen Jahrhundert. Pedro liebt Tita. Doch als jüngste Tochter soll die 16-Jährige unverheiratet bleiben, um später ihre Mutter zu versorgen. So wollen es die Konvention und die Mutter selbst. Um dennoch in Titas Nähe bleiben zu können, entschließt sich Pedro, ihre ältere Schwester Rosaura zu heiraten. Die Familie könnte zufrieden sein. Doch sie hat nicht mit Titas Dickschädel gerechnet – und ihren magischen Kochkünsten. Fortan legt die schöne Köchin all ihre Liebe in die Zubereitung traditioneller Gerichte. Und nicht nur Pedro ist weiterhin betört. Der ganze Hof erliegt nach und nach Titas zauberischen Kuchen und Eintöpfen. So führt ihr Weg in die Emanzipation ausgerechnet über den Ort, an den ihre Mutter sie hatte verbannen wollen: die Küche.
Zwölf Kapitel, zwölf köstliche Rezepte, die den bittersüßen Geschmack des Lebens enthalten. Leicht, amüsant – und überaus sinnlich.
Die Autorin
Laura Esquivel wurde 1950 in Mexiko-Stadt geboren. Sie studierte Theaterwissenschaften und schrieb später Drehbücher und Gedichte für Kinder. Ihr erster Roman "Bittersüße Schokolade" erschien 1989 und wurde ein Welterfolg. Laura Esquivel lebt in Mexiko.
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Leseprobe "Bittersüsse Schokolade"
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Januar: Weihnachtstortas
Zutaten: 1 Büchse Sardinen 1/2 kg Chorizo 1 Zwiebel Oregano 1 Dose Serrano-Pfefferschoten 10 kleine weiße Baguettebrötchen
Zubereitung: Die Zwiebel sollte fein gehackt sein. Will man vermeiden, daß einem beim Zwiebelschneiden die Tränen in die Augen schießen, ist es ratsam, sich ein Stückchen Zwiebel auf den Scheitel zu legen. Dabei ist nicht einmal das Weinen an sich so lästig, sondern daß man einfach nicht mehr aufhören kann, sobald man mit dem Hacken begonnen hat. Ich weiß nicht, ob es Ihnen schon einmal so ergangen ist, mir jedenfalls ja. Sogar unzählige Male. Mama meinte immer, diese Empfindlichkeit gegen Zwiebeln habe mir meine Großtante Tita vererbt.
Von Tita heißt es, sie habe derart heftig auf Zwiebeln reagiert, daß sie schon im Leib meiner Urgroßmutter fürchterliche Tränen vergoß, sobald diese Zwiebeln hackte. Ihr Weinen war so laut, daß selbst Nacha, die Köchin des Hauses, es mühelos hören konnte, und die war halb taub. Eines Tages steigerte sich Titas Schluchzen dermaßen, daß es vorzeitig die Geburt einleitete. So geschah es, daß – bevor meine Urgroßmutter auch nur piep sagen konnte – Tita Hals über Kopf auf die Welt kam, und zwar mitten auf dem Küchentisch, eingehüllt in den Duft von Nudelsuppe, die gerade auf dem Herd kochte, von Thymian, Lorbeer, Koriander, siedender Milch, Knoblauch und natürlich Zwiebeln. Daß sich unter diesen Umständen der berühmte Klaps auf den Po erübrigte, versteht sich von selbst, wurde Tita doch schon weinend geboren, und dies vielleicht auch, weil sie ihr Orakel kannte, daß ihr in diesem Leben die Ehe verwehrt bleiben sollte. Nacha erzählte, Tita sei buchstäblich auf die Welt gespült worden, von einem unglaublichen Tränenfluß, der sich über den Tisch und den gesamten Küchenboden ergoß.
Am Nachmittag, als der Schock vorüber war und die Sonnenwärme das Wasser getrocknet hatte, fegte Nacha die Tränenablagerungen auf den roten Küchenfliesen zusammen. Mit diesem Salz füllte sie einen Fünf-Kilo- Sack, aus dem man sich noch lange Zeit zum Kochen bedienen sollte. Diese wunderliche Geburt führte dazu, daß Tita eine unerschöpfliche Liebe zur Küche entwikkelte und den größten Teil ihres Lebens, praktisch von Geburt an, dort verbrachte. Denn sie war noch nicht ganz zwei Tage alt, als ihr Vater, also mein Urgroßvater, an einem Herzschlag starb.
Nach dieser Erschütterung versiegte Mama Elena die Milch. Unglücklicherweise gab es zu jener Zeit noch keine Pulvermilch oder Ähnliches, auch war es nicht möglich, eine Amme aufzutreiben, so daß man sich in arger Bedrängnis sah, wie der Hunger des Neugeborenen zu stillen sei. Nacha, eine wahre Expertin in allen Küchendingen – und in vielen anderen mehr, die vorläufig nichts zur Sache tun –, bot an, sie wolle sich um Titas Ernährung kümmern. In ihren Augen brachte sie die besten Voraussetzungen mit, "den Magen des unschuldigen kleinen Geschöpfs ans Essen zu gewöhnen", obwohl sie selbst niemals geheiratet oder Kinder bekommen hatte. Nicht einmal des Lesens und Schreibens war sie kundig. Bei allem freilich, was die Küche anging, kam ihr niemand an Erfahrung gleich. Mama Elena ging nur allzu gern auf dieses Angebot ein, hatte sie doch wahrlich genug Last zu tragen mit ihrem Kummer, der ungeheuren Verantwortung für die Farm, der Sorge, ihre Kinder zu ernähren und ihnen die bestmögliche Erziehung zu bieten; so war sie heilfroh, wenn ihr wenigstens jemand die Betreuung des Neugeborenen und das Problem, es ordentlich satt zu bekommen, abnahm.
Noch am gleichen Tag siedelte Tita daher in die Küche über, wo sie mit Maisbrei und Kräutertees prächtig gedieh und bald vor Gesundheit strotzte. Dies erklärt auch die Tatsache, daß sie einen sechsten Sinn für alles entwickelte, was ihren Hunger zu stillen vermochte. Die Zeiten etwa, zu denen sie gefüttert wurde, waren auf den Küchenplan abgestimmt: Wenn Tita morgens roch, daß die Bohnen gar gekocht waren, oder mittags merkte, daß das Wasser bereit war und die Hühner gerupft werden konnten, oder wenn nachmittags das Brot für das Abendessen im Ofen buk, wußte sie, es war an der Zeit, lauthals ihre Mahlzeit anzumahnen.
Manchmal weinte Tita auch einfach drauflos, etwa wenn Nacha Zwiebeln hackte; da jedoch beide die Ursache für diese Tränen kannten, nahm man sie nicht weiter ernst. Schließlich waren sie in solchen Momenten so ausgelassen, daß Tita während ihrer Kindheit niemals recht zu unterscheiden lernte, ob nun Freudentränen vergossen wurden oder ob die Tränen vor Kummer flossen. Für sie bedeutete das Lachen eine Art zu weinen. Ebenso verwechselte sie die Lust zu leben mit dem Genuß beim Essen. Für jemanden, der das Leben nur im Umkreis der Küche kennengelernt hatte, war es nicht leicht, die Welt außerhalb dieses kleinen Reiches zu verstehen; das heißt die riesige Welt, die hinter der Küchentür begann und die gesamten Innenräume des Hauses umfaßte.
Denn das Terrain jenseits der Hintertür, die zum Patio, zum Garten und zu den Gemüsebeeten hinausführte, war ihr bis in den letzten Winkel vertraut, ja hier war sie die unumstrittene Herrin. Anders als Tita war ihren Schwestern dieser Bereich, in dem, wie sie argwöhnten, zahllose unbekannte Gefahren lauerten, nicht geheuer. Die Spiele innerhalb der Küche erschienen ihnen nicht nur albern, sondern auch gefährlich; freilich ließen sie sich eines Tages von Tita davon überzeugen, daß es ein faszinierendes Schauspiel sei, wenn man Wassertropfen auf den glutheißen Comal spritzte und sie wie wild darauf tanzen ließ.
Doch während Tita sang und rhythmisch ihre nassen Hände schüttelte, damit die Tropfen rascher auf den Comal herabfielen, um zu "tanzen", verkroch sich Rosaura, die es schon beim bloßen Zuschauen grauste, in die hinterste Ecke. Ganz anders Gertrudis, die von diesem Spiel, wie überhaupt von allem, was mit Rhythmus, Bewegung oder Musik zu tun hatte, restlos begeistert war und geradezu enthusiastisch mitmachte. So blieb Rosaura schließlich keine andere Wahl mehr, als die Flucht nach vorne anzutreten, denn sie wollte um keinen Preis hinter den anderen zurückstehen. Da sie indes kaum ihre Hände anfeuchtete und sich nur zaghaft am Spiel beteiligte, gelang es ihr nicht, die gewünschte Wirkung zu erzielen. Um ihr zu helfen, versuchte Tita nun, Rosauras Hände näher an den Comal heranzuführen. Rosaura leistete erbitterten Widerstand.
Da keine von beiden nachgab, entspann sich ein heftiger Kampf, bis Tita plötzlich die Geduld verlor und Rosauras Hände unvermittelt losließ, woraufhin sie mit dem freigesetzten Schwung mitten auf die glühheiße Fläche niederschnellten. Nicht nur, daß dieses Mißgeschick Tita zur Strafe eine ordentliche Tracht Prügel eintrug, fortan war ihr auch das Herumtollen mit den Schwestern in ihrem Reich aufs strengste untersagt. Folglich blieb ihr nur noch Nacha als Spielkameradin. Gemeinsam vertrieben sie sich damit die Zeit, Spiele und Streiche auszuhecken, die stets etwas mit der Küche zu tun hatten.
So etwa an jenem Tag, als sie auf dem Dorfplatz einen Mann entdeckten, der aus länglichen Luftballons Tierfiguren bastelte, und beiden sogleich die Idee kam, ihm nachzueifern, freilich mit Chorizo-Stücken. Sie bauten nicht nur naturgetreue Tiere zusammen, sondern erfanden auch Phantasiegestalten, unter ihnen solche mit Schwanenhälsen, Hundepfoten und Pferdeschwänzen.
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